brevet [breˈveː] frz. für „Sch***-Idee“ – 400km am Stück.

Weiße Schokolade geht immer
Verpflegung für 400km Brevet in Ostfalen

brevet [breˈveː] frz. für „Sch***-Idee“ – 400km am Stück

brevet [breˈveː] -frz. frei übersetzt: Sch***-Idee, der Gedanke flog bei km 239 durch meinen Kopf…

Wo war ich hier nur wieder hinein geraten… ?

Thüringen, früher Abend, noch 160km Rad fahren… Vermutlich die Nacht durch, bis es wieder hell wird. Im Ernst?!

Was war passiert: Meine ersten drei Anläufe in 2018 einen offiziellen BRM zu finishen wurden ja leider nix, zwei fielen wetterbedingt für mich aus (-12 Grad und Schnee) und bei Nr. 3 habe ich keinen Startplatz mehr bekommen.

Nun wurden die Brevettermine langsam rar. Also schnappte ich kurzerhand Simons Idee auf beim 400er in Ostfalen an den Start zu gehen, die Starterliste war nicht allzulang, ich bekam also noch einen Platz. Ein Hotel in Nähe des Startortes Warberg war schnell gefunden und eine echte Empfehlung (Hotel Schlaf Schön in Schönigen mit dem Restaurant „…wie in Oma´s Küche„). Wenn du Lust hast auch mal auf die Langstrecke zu gehen, gibt´s hier ein paar Tipps für deine erste Langstrecke!

Eis geht immer
Ein Eis als Verpflegung für dem 400er geht immer

Aufregung kurz vorm Start

Wir standen überpünktlich um 7:15 beim Veranstalter auf der Matte und holten unsere Brevet-Hefte ab. Beim Brevet gilt nämlich: Kein Stempel – dann ist es nicht passiert. Strava hin oder her… Also gut einstecken! Wir waren gedanklich auf alle Wetterlagen eingerichtet, sturzflutähnliche Regenfälle waren zunächst vorausgesagt, die sich jedoch über Nacht verzogen und so standen wir mit etwas Niesel und Bewölkung aber immerhin knapp 20 Grad am Start.

Es konnte losgehen, wir waren gut drauf!

Bis zur ersten Kontrolle bei KM70 zogen wir durch, kein Stop, wir waren in einer entspannt aber zügigen 8er Gruppe unterwegs und die Kilometer gingen gut weg. Führungsarbeit wurde mehr oder minder gleichmäßig verteilt, es regente immer mal wieder ein paar Tropfen, aber kein ernsthafter Regen.

Armlinge zog ich bald aus, die waren nämlich etwas zu warm für 20 Grad und 90% Luftfeuchte… Stempel No.I landete zügig in unserem Heft, wir machten nur einen kurzen Toilettenstop und fuhren alsbald weiter. Bei KM100 gab es angeblich eine Quelle zum Wasserauffüllen, die haben wir aber irgendwie übersehen…

Mittagspause mal nicht auf der Tankstelle

KM170 – Middach! In Heiligenstadt landeten wir bei einem Asia-irgendwas. Es gab eine gute Portion Nudeln und eine kleine Pause. Wir checkten die Strecke und waren froh, dass wir mehr als das erste Drittel sehr gut absolviert hatten! Wir waren 170km quasi durchgefahren! Mit einem ordentlichen Schnitt!

Nun folgte Etappe No.III. Weitere 70km, die Landesgrenze nach Thürigen hatten wir bereits überfahren, die wir auf einer ehemaligen Bahntrasse absolvierten (zumindest Teile davon), an Europas größtem Panzerfriedhof vorbei kamen und durch die wundervolle Landschaft in Thürigen radelten.

Vor uns lagen immer wieder Wiesen, Hügel und tolle Panoramen, die wir dank mittlerweile scheinender Sonne, bestaunten. Glück gehabt mit dem Wetter!

MIttagspause nach 170km am Stück
Mittagspause und Nudeln als Verpflegung

Kontrolle 3 kommt

Die dritte Kontrolle nahte, wir hatten 240km auf der Uhr und bei mir machte sich das Gefühl breit, dass es nun immernoch eine ganz schön weite Strecke war. Leise hatte ich die Hoffnung gehabt, dass wir noch in der Dunkelheit der Nacht im Ziel waren, davon konnte ich mich wohl verabschieden. Leider habe ich auf dem Rad zu viel Zeit um darüber nachzudenken.

Kurz bevor ich zu tief in einem mentalen Loch á la „Verdammt, ich muss die ganze Nacht Rad fahren“ versank, holte uns ein sportiver Radler ein, mit dem ich über Radfahren, Essen und Allerlei Dööntjes schnacken konnte. Das war gut und lenkte ab.

Kurze Zeit fuhr er voraus, wir waren mittlerweile zu dritt unterwegs und hatten eine Allianz mit Steffen aus Potsdam geschlossen, der ebenso wie wir erkannte, dass es schlauer war gemeinsam durch die Nacht zu fahren als alleine.

Durch die Nacht mit Würstchen und Quetschies

Es folgte der längste und herausfordernste Streckenabschnitt. 120km durch den östlichen Harz und das Harzvorland. Nicht, dass das schon herausfordernd genug war, nein,

auf den 120km gab es quasi keine Verpflegung,

weil Tankstellen zu hatten, oder nicht existierten oder weil es einfach nix gab… Der sehr gut organisierte Veranstalter hatte alle auf und im Umkreis der Strecke liegenden Friedhöfe rausgesucht und markiert. Dort gibt es fast immer einen frei zugänglichen Wasserhahn. Verpflegung hatten wir ausreichend dabei, Riegel, Quetschies, 2 Würstchen, Mars und noch n Bountie würde wohl reichen bis zur nächsten Kontrolle.

Es dämmerte, eigentlich ganz schön. Wäre da nur nicht die Vorahnung, dass es demnächst ganz schöne Hügel hinauf ging und immer dunkler wurde… Es ging bergauf, immer wieder, nicht zu schlimm, aber 6,7,8 9% sind dann doch mit 270km in den Beinen eine ganz schöne Herausforderung.

Es blieb warm, wie schon den ganzen Tag. Tendenziell war mit den ganzen Tag zu warm,  während Simon sich Armlinge, Beinlinge und ne Jacke anzog, fuhr ich in Kurz-Kurz…

Für einen Moment überlegte ich, ob ich Fieber hatte… Möglich…

Aber vielleicht powerte mein Körper auch einfach nur durch. Es ging nämlich schon wieder bergauf. Plötzlich stand vor uns ein Liegeradfahrer, der fragte, ob wir Batterien dabei hätten, sein Navi wäre leer und er hat keine mehr.

Kurzerhand schenkte ich ihm zwei meiner Licht-Ersatzbatterien, es würde schon wieder hell werden. Das macht ein Brevet, unter anderem, für mich aus, sich gegenseitig helfen, Allianzen schmieden und auch wieder auflösen. Nach Tech-Tausch mit dem Liegeradler zogen wir weiter.

Weiße Schokolade geht immer
Verpflegung für 400km Brevet in Ostfalen

Wasserhahn gesucht

Langsam konnten wir Wasser gebrauchen. Es war immernoch ziemlich warm. Umwege zu einem Friedhof wollten wir vermeiden und guckten demnach in die dunkle Nacht, ob an Gemeindehäuschen, Dorfplätzen oder dergleichen ein Wasserhahn zu finden sei. Ja! Da war einer! Hinter einem Häusschen auf einem kleinen Dorfplatz. Prima, dachten wir. Wasser auffüllen und weiter.

Schade nur, dass kein Wasser aus dem Hahn kam…

Die Suche ging also weiter. Durch kleine Dörfer, die immerhin eine Straßenbeleuchtung hatten. Um im Schatten dieser sah ich an einer Hausseite im Vorgarten einen aufgewickelten Gartenschlauch! Das war unsere Chance!

Wir legten eine scharfe Bremsung ein und gingen mit unseren Flaschen zum Gartenschlauch. Bitte, lass das Wasser angestellt sein… Ich fragte das Universum kurz nach Erlaubnis hier in jemands Vorgarten an seinem Wasserschlauch herumzumachen, Universium sagte „Ja“ und so füllten wir endlich unsere Flaschen auf! Schöner Vorgarten! Danke für die Gastfreundschaft, unbekannte Hausbesitzer!

Die Reise konnte weiter gehen! Eine schöne Abfahrt runter, durch den Harz, im Dunkeln… safety first. Ich bremste lieber früher als später…

Bergab im Dunkeln durch den Harz

Die Fahrt im Dunkeln bergab verlangte volle Konzentration, nicht ganz einfach nach 300km… Simon meldete eine Pause an. Dankbar nahmen wir den Vorschlag an und beschlossen, dass wir uns kurz mal ausruhen mussten. Nur kurz die Augen zu machen… Egal wo.

So wurde es eine Dorfkreuzung unter einem Baum auf m Grünstreifen. Vorbeiziehnde Dorfbewohner verstanden das nicht wirklich. Ob wir da nächtigenn würden. Nein nur kurz liegen, dass das Licht am Rad ja noch an wäre…Ja, macht nix… Ob alles ok wäre…ja, nur kurz Pause. ALTA! Is ja nett gemeint, ich will aber 5 Minuten die Augen zu machen! Und die taten so gut! Kurz wegdämmern, alles entspannen…. Weiter ging´s!

Endspurt!

Morgens um 03:00 Uhr kamen wir in Oschersleben an der 24h Tankstelle an. Dort tümmelte sich einiges an Dorf-Party-Volk, als sie verstanden, dass wir bereits 365km Rad gefahren waren, guckten wir in geringfüging verwirrte Gesichter. Einer der anwesenden „LEICHT“ alkoholisierten meinte, er wäre auf seinem Rad eh schneller… Immerhin fuhr er jeden Tag 4km zur Arbeit und 4 zurück. Das wären dann ja zusammen 2km. Komische Rechnung…

Wir stärkten uns mit einem frisch belegten Salamibrötchen und starteten in die aufkommende Morgendämmerung, die Vögel waren bereits wach und zwitscherten um die Wette.

Nur noch 35km!

Noch 30, noch 25… Besser ich guckte nicht so oft, wie viele es noch waren. Die km vergingen, irgendwie… Kurz nach 5:00 rollten wir in Warberg ein. Ich hatte kleine Augen. Und etwas ungläubig realisierten wir, dass wir angekommen waren! Im ersten Drittel aller Starter, einige hatten bereits aufgegeben. Ich war überrascht und Stolz! Wir waren gut unterwegs gewesen! Finish!

400km sind absolviert
Garmin hat alle 400km mitgezählt


Auf direktem Weg (naja, Auto, Treppe, ausgiebige Dusche) schlichen wir ins Bett und dösten für ein paar Stunden, bevor wir nach einem leckeren Frühstück wie bei Oma nach Hamburg fuhren. Diesmal mit dem Auto!

Vielen Dank an Simon, der ein ausgezeichneter Weggefährte war! Und auch an Steffen, der sicherlich schneller hätte fahren können, aber mit uns eine gute Allianz gebildet hat!

Und ein ganz großes Dankeschön an Ben, meinem Specialized bgfit Bikefitter, der mich so klasse aufs Rad gesetzt hat, dass mir einen Tag später kaum mehr etwas weh tat und ich unterwegs wirklich wenig „Aua“ hatte! Sensationell! Danke, Ben!

 

P.S. Wen die korrekte Übersetzung von „brevet“ interessiert: hier ist der Eintrag im Wörterbuch.

 

Written By
More from Lena
Rambouillet – Mekka der Langstreckenbekloppten
Uhhlala, es geht los nach Frankreich, genauer gesagt nach Rambouillet! Paris-Brest-Paris steht...
Read More

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert