Nach Hamburg? Heute? – Das wird ja nix mehr. Und ob! 570km Doppelbrocken.

Auf dem Gipfel des Brocken vor Sonnenuntergang
Endlich auf dem Gipfel des Brocken

Nach Hamburg? Heute? – Das wird ja nix mehr. Und ob! 570km Doppelbrocken.

Vor 3 Wochen fragt Carola, die ich bei Haralds Runde nach Buxtehude kennenlernte, ob ich mit zum Doppelbrocken käme. Wohin? Doppelbrocken? Ne, kenn ich nicht. Simon macht da so ne Veranstaltung. Zum Brocken und zurück. Samstag hin, übernachten, Sonntag zurück.

Hört sich bekloppt an, ich gucke mal…

In meinem Kopf rattern die Zahlen, wie lange ist das? Wie lange fahre ich da? Wie hoch ist der Brocken nochmal? Was mache ich an dem Wochenende? Oh, keine Pläne – Tja, dann… mir fällt nicht ein Grund ein, warum ich es nicht machen sollte.  Außer, dass es natürlich ne Scheißidee ist, aber ne Gute!

Zugesagt – Losgefahren

Ja, gut, dann sage ich zu. Losfahren kann ich ja mal. Zurück gibt´s ja auch ne Bahn. Zur Not. Ich wollte wissen, ob ich das kann. 600km in 2 Tagen fahren. 300km an einem Tag habe ich schonmal gemacht. Dass es nach 270km noch auf den Brocken geht, erschreckt mich nicht so arg. Allerdings, hab ich meist am darauffolgenden Tag so ziemlich nie etwas gemacht, das auch nur annährend anstrengend war. Naja. Nun ist es also soweit.

Team „ENTSPANNT“ geht an den Start!

Doppelbrocken Start mit Martin und Carola
Team Entspannt am Elbtunnel auf dem Weg zum Doppelbrocken

0600 Südseite Alter Elbtunnel in Hamburg, ein Mann in Radklamotten steht vor dem Ausgang. Der kann nur den gleichen Plan haben wie ich. ZUM BROCKEN! Wenige Minuten später kommt Carola auch an und wir rollen entspannt durch den schlafenden Hafen.

Es sind insgesamt 8 Starter, wir 3 fahren eine Stunde eher los, weil wir glauben nicht so schnell zu sein wie die anderen von Team „UNENTSPANNT“. Die gehen um 0700 auf die Strecke. Ein toller Samstagmorgen. Hamburg schläft, das Umland schläft, es geht vorbei an ganzen Herden von Rehen, Feldhasen, Raben und die Kilometer aus der Stadt bis in die Heide vergehen schnell.

Ein guter Spickzettel!

Die erste Station auf meinem Spickzettel ist Stelle bei KM28 von dort aus geht es in die hügelige Nordheide. Stets ein wenig hinauf und bergab schlängeln wir uns durch die Heide, es ist sonnig und die Vorhersage, dass wir ganz wenig Rückenwind haben, stimmt tatsächlich. Es läuft. Die KM vergehen, ich bin fasziniert von der Kombination aus KM, Sonnenschein, Frühling und Radabenteuer!

Unsere kleine Gruppe harmoniert, wir wechseln uns vorne ab und kommen gut voran. Die erste kleine Pause gibt´s in Amelinghausen beim Bäcker, Streuselschnecke und Kaffee spenden frische Energie, es geht flott weiter. Zum nächsten Pitstop in Unterlüß auf der HEM Tanke bei KM100. Wir kommen gut voran und gucken ab und an mal wo Team Unentspannt ist. Sie sind ebenfalls flott unterwegs und circa 45min hinter uns.

Team „Unentspannt“ ist in der Verfolgergruppe

Im Vorfelde hatten wir angenommen,dass wir uns bei KM150 in Gifhorn treffen müssten. Bis dahin ist es ja nicht mehr so weit.

Denke ich. Ich irre mich.

Es folgen irgendwie langweilige 50km, relativ flach, durch die Südheide, Truppenübungsgelände, viel Naturgedöns. Auch schön. Wie die letzen Stunden… Endlich kommt Gifhorn in Sicht, wir drängeln uns durch die Hauptverkehrsader und halten nach einer Futterstelle Ausschau. Ein Dönermann am Wegesrad sieht passabel aus. Zumindest von der Straße…

Ziemlich verranzt aber trotzdem lecker tanken wir auf und gucken, wo die anderen sind. Immernoch ein ganzes Stück hinter uns. Ob die einen Platten hatten? So lange wollten wir nicht auf die warten… So entschließen wir uns schon mal weiter zu fahren.

 

Es folgt: Landschaft.

Über die A2. Über die A39. An Braunschweig vorbei. Nach Wolfenbüttel. Mehr Natur. Die Sonne scheint. Es ist warm. In meiner Erinnerung verschwimmt dieser Abschnitt ein wenig. Irgendwo haben wir noch Kuchen gegessen. Der war lecker. Es pendelt sich ein Rhythmus aus Treten, Essen und Getränke auffüllen ein. Und wir beschließen in Vienenburg nochmal vorm Harz unsere Getränke aufzufüllen, wer weiß wo es wieder etwas gibt.

Und als wir so auf dem LIDL-Parkplatz unsere Flaschen auffüllen, fährt auf der Straße plötzlich eine Gruppe von 5 Radlern vorbei!

Da ist Team Unentspannt.

Bis KM230 haben wir als 3er Team einen respektablen 27er Schnitt hingelegt, nicht schlecht!

Nun geht es in den Harz. Bergauf.

Zunächst nach Oker und dann zur Okertalsperre, ziemlich bergauf, jeder in seinem Tempo. Ich kurbel mich im kleinsten (34/28) Gang nach oben und komme an der Talsperre an. Dafür, dass ich beireits 230km gefahren bin, geht´s ganz gut! Auf dem tollen neuen Weg neben der Okertalsperre gehts hoch bis Torfhaus.

Der Weg wird schmaler und geht an einem schönen Bach entlang. Schmalerer Weg = mehr Steigung = Kraft wird weniger. Ein kleines Stück muss ich mal absteigen und ein wenig zu Fuß gehen. Vielleicht weniger weil ich nicht mehr Treten kann, sondern eher um mal kurz eine andere Bewegung zu machen.

Okertalsperre auf dem Weg nach Torfhaus
Auf dem Weg zum Doppelbrocken an der Okertalsperre entlang

Und weil ich so natürlich den Wegesrand besser beobachten kann. Trotzdem ganz schön kräftezehrend dieses ständige bergauf. Noch ein kurzes Stück auf der B3 nach Torfhaus und dann können wir schon zum Brocken rüber gucken! Da ist er!

Getrennt vom Brocken aber in Sichtweite

LEIDER, liegt da ein Tal zwischen mir und dem Gipfel. Schmerzliche Höhenmeter gehen auf dem Weg nach Braunlage hinunter verloren! Und Zack, geht es wieder bergauf. Über Braunlage nach Schierke und dann auf die Brockenstraße. Hier war ich noch nie.

Bei meinem letzten und einzigen Versuch auf den Brocken zu fahren, der sicherlich 4 Jahre zurück liegt, hatte ich bereits in Elend aufgegeben, zu steil, zu viele KM. Heute beim Doppelbrocken ging es zwar nicht wesentlich leichter, aber ich wollte auf den dämlichen Hügel.

Vor mir lag also die Brockenstraße. Steigung und Länge hatte ich lieber nicht angeguckt. Es ging eben nach oben, irgendwas zwischen 7 und 9 km…

Zu steil konnte es nicht sein, ein Pferdewagen fuhr ja auch nach oben!Arme Viecher!

Und die letzten 2km war ich schonmal über Torfhaus hinaufgewandert. Mit Steffi. Da waren wir der Brockenexpress! Das war mega!

Vom Brockenexpress zur Brockenschnecke

Heute war ich eher die Brockenschnecke, aber das war egal, ich würde oben an kommen! Es zog sich. Mondlandschaften zogen vorüber, braun, alle Fichten umgefallen, gefällt, umgeweht, Monokultur. Nicht so wirklich schön… Und dann kam die Brockenstation in Sicht, die letzten Meter bis zum Gipfelstein!

YEAH! WIR WAREN OBEN! Nach 290km sind wir auf den Brock gefahren, hab ich erst auf dem Weg wieder runter halbwegs realisiert, wie lange ich bergauf gefahren bin. So lange und so steil noch nie. Zum Glück ging es beinahe nur noch bergab. Bis Schierke zum Chinesen, etwas warmes essen und dann durch die klirrende Kälte (fehlende Sonne und Erschöpfung taten ihr übriges) nur noch bis Drei Annen Hohne ins Kräuterhotel. Dort:

Rad abstellen. Zimmerschlüssel nehmen. Duschen.  Schlafen. Finito.

Auf dem Gipfel des Brocken vor Sonnenuntergang
Endlich auf dem Gipfel des Brocken

Tag 2 des Doppelbrocken

Nun wurde es interessant. Nach einem guten Frühstück und guten 6 Stunden Schlaf packten wir unsere Sachen und diskutierten über die Heimreise. Doppelbrocken hieß ja doppelt auf den Brocken. Aber nicht für mich. Ich hatte meine Rechnung mit dem Brocken beglichen! An der Rezeption des Hotels checkten wir aus und antworteten auf die Frage wo wir heute hinfahren: „Nach Hamburg“. Die Rezeptionistin guckte weiter in ihre Papiere und entgegnete leicht lachend, dass das ja heute nix mehr würde (es war ca. 8:15).

Wir lachten kurz und antworteten, dass das schon ginge, da wären wir ja gestern auch her gekommen. Sie widmete sich wieder ihrer Abrechnung. Ich glaube unsere Rechnung wurde und „S“ wie „Spinner“ abgelegt.

Teamtrennung

Wir teilten uns in 2 Gruppen, es gibt tatsächlich Brockenfans, die sich eine 2. Runde gönnten. Hut ab, ihr Maschienen! Team Entspannt rollte über Wernigerode in Richtung Königslutter am Elm. Unglaublich, aber es schien schon wieder die Sonne, die Natur war über Nacht explodiert, plötzlich war alles noch grüner und der Wind kam zumindest nicht direkt von vorne.

Der Garmin sagte brav den Weg an, links, rechts, ich guckte nicht auf meine Gesamtkilometer oder die Zeit, geschweige denn die Uhrzeit, sondern immer nur auf die nächsten Abbiegehinweise. In 3km links. Das reichte mir als Information.

Geradeaus in die Baustelle

Vorne geradeaus. Moment, war da gerade Baustelle angezeigt? Hm, ja, aaach, da können wir sicher durchrollen. Auf dem Gehweg oder so. Pffffft… Baustelle. Sofort Platt, schieben, Carola hatte sich einen Platten eingefangen und die Baustelle bestand aus einer neuen Brücke über einen Bach. Klar, Rad geschultert und drüber… bloß nicht gucken wie eine Umleitung geht ;-).

Unter den protestierenden Kommentaren des meckernden Opas der Nachbarschaft, der uns und auch unser Team Unentspannt eine halbe Stunde später mit dem gleichen Argument auf das Verbot unseres Tuns hinwies. Wenn da was passiert…dann sind Sie nicht versichert…jaja… is ja nicht.

Weiter geht´s…

Die Kilometer bis Königslutter gingen gut dahin, ich fühlte mich ganz wohl auf dem Rad, nichts tat zu sehr weh, meine Knie hatte ich vorsorglich mit ein bisschen Kinesiotape passend zur Trikotfarbe dekoriert, sodass eigentlich alle Systeme auf Grün waren.

Über den Elm, ein kleiner Höhenzug vor Königslutter, oder dahinter je nach dem von wo man kam, fuhr ich ganz gut. Die wirkliche Kraft um zügig hoch zu pedalieren war zwar weg, aber das war egal. Vor mir erblickte ich einen älteren Herren auf einem uralten Stahlrad, ein eher durchgetrampeltes Stadtrad und er war im Wollpulli und Halbschuhen kräftig am Treten.

Aus der Entfernung ging ich von einem Ebike aus. Älterer Herr auf Ebike zügig am Elm machte für mich Sinn. Als ich dichter an ihn heran fuhr, und das dauerte doch einen Moment, erkannte ich erst, dass es kein Ebike war. Mit einem flotten Spruch auf den Lippen wünschte er uns gute Reise.

Wir zogen davon.

In Königslutter belohnten wir uns mit einer heißen Waffel mit Kirschen und Kaffeepause, Team Unentspannt war noch deutlich hinter uns und so machten wir uns wieder auf den Weg.

Bis nach Gifhorn waren es einige Kilometer, die durch leicht hügelige Landschaft führten, mir fehlte die Kraft die Hügel wegzutreten, also fuhr ich eben langsam hoch. Dabei konnte ich ohnehin besser die Storche am Wegesrand und die blühenden Apfelbäume angucken.

Gifhorn Runde 2

In Gifhorn war allerdings dann auch mal eine größere Pause nötig, die wir zum Essen und zum Zusammenschluss mit Team Unentspannt nutzten. Nach einem Croque und einer Zitronentarte radelte ich mit Martin schon mal ein paar Kilometer vor, Team Unentspannt holte uns alsbald ein. Von dort an fuhren wir in der Gruppe in zügigem Tempo nach Hause, durch die Heide, an Unterlüß (Auftanken) vorbei und nach Amelinghausen. An der Shell dort habe ich schon bei dem einen oder anderen Brevet gestanden, von dort ist es nicht mehr so weit aber immer noch ein ganz schönes Stück.

Noch 60 Kilometer bis nach Hamburg

Doppelbrocken Rückweg
Das letzte Stück zurück fahren wir in der Gruppe

Gute 60km. Die verflogen halbwegs gut, die Gruppe disziplinierte sich und wir kamen gut voran. Ich hatte allerdings keine Lust mehr… Naja, nu war das irgendwie auch egal. Mit dem Rad ging es wohl am schnellsten nach Hause. Also, weiter treten. Bis nach Stelle, der letzte Hügel, die letze Autobahnbrücke, das letzte mal noch treten!

Ich lenkte mich damit ab, zählte, was alles zum letzen mal für heute kam…. Und dann kam endlich der Deich in Sicht! Wir hatten es geschafft! Obligatorisches Ortsschildfoto und nach Hause. Die letzten Kilometer von den Deichtorhallen bis nach Hause fuhr ich mit der Ubahn. Auf Stadterkehr hatte ich so gar keine Lust mehr. Zuhause fiel ich nur noch ins Bett nachdem ichmir die Sonnencreme und den Schweiß abgewaschen hatte.

Please…no pictures….

Ortschild Hamburg Teamfoto Doppelbrocken
Doppelbrocken Teamfoto am Ortsschild von Hamburg

 

Fazit des Doppelbrocken

Wie bekloppt ist es also zum Brocken und zurück zu fahren, insbesondere wenn man Freitag und Montag arbeitet? Hm, ziemlich glaube ich. Zumindest gemessen an der Reaktion der Leute denen ich von meinem Wochenende erzählte.

Noch erhole ich mich, mein Ruhepuls normalisiert sich erst nach 2-3 Tagen und auch wieder gut Schlafen kann ich erst Mittwoch. So eine Aktion stresst den Körper schon unheimlich. In der Nacht im Hotel lag mein Ruhepuls beim Schlafen (!) bei 71…! Also mindestens 15 Schläge über meinem normalen Wert, der Körper ist in einer Ausnahmesituation, von der ich auch erst langsam wieder runter gekommen bin.

Verdauung und Nahrungsaufnahme wurden während der Tour suksessive weniger, auf dem Rückweg hatte ich wenig Appetit was zu essen. Ja, eine Waffel ist lecker, und ein Croque auch, aber wirklich Hunger hatte ich nicht. Essen und Trinken wird zur Pflicht und zur Notwendigkeit.

Warum hab ich das gemacht?

Ich glaube, weil ich wissen wollte, ob ich das kann. Ergebnis: Ja, ich kann das. Ob ich das allerdings auch will ist eine andere Frage, die mich noch länger beschäftigt. Motivation für lange Strecken zu finden ist aus meiner Sicht beinahe noch wichtiger als körperliche Fitness.

Die körperliche Dauerbelastung ist zwar hoch, aber mit „normaler“ Vorbereitung durchaus machbar. Vor der Tour hatte ich ca. 1500KM Jahresleistung auf meinem Tacho, das ist nicht so wahnsinnig viel. Durch zwei ausgefallene Brevets hatte ich noch keine Langstrecke vor dem Doppelbrocken in 2018 gefinished.

Die idealen Wetterbedingungen und die gute harmonierende Gruppe haben natürlich dazu beigetragen, dass wir so gut durchgekommen sind. Ich bin im Grunde genommen immer noch fasziniert von der Reichweite des Fahrrads. Mit kleinstem Gepäck (ich hatte eine 2. Hose und 1 Schlaf-T-Shirt dabei) lässt es sich gut Reisen, ich habe nichts vermisst!

Aber nun muss ich erstmal die Beine hochlegen, bevor es zur nächsten Runde mit dem Rad aufgeht!

 

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1 Comment

  • Cooler Bericht und mega Aktion!

    Ich habe eine ähnliche Challenge und zwar an einem Wochenende mit dem Rennrad von Köln nach Berlin und dabei den Brocken als Etappenziel am Samstag mitnehmen. Natürlich zwingend mit Freitag und Montag als normalen Arbeitstagen, so dass man Sonntags nicht zu spät in Berlin ankommen darf, um noch den letzten Zug zurück zu erwischen….
    Leider habe ich beim ersten Versuch die letzten 8 km bis zum Brocken wegen einsetzender Dunkelheit ausgelassen. Im nächsten Jahr kommt der nächste Versuch 🙂

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